MIT HARTEM KAMPF ZUM PERFEKTEN ABSCHLUSS
Erfolgreiches Ende eines unverhofften WM-Abenteuers: Die Schweiz schlägt Algerien mit 27:24 und reiht sich in die Top 16 des Abschlussklassements ein.
Stephan Santschi

Damiano Belvedere, Physiotherapeut im Staff der Schweizer Nationalmannschaft, konnte die Tränen nach dem Schlusspfiff nicht mehr zurückhalten. Nicht der grossartige 27:24-Sieg gegen Algerien im abschliessenden Hauptrundenspiel der WM rührte ihn derart, sondern die Wahl des «Man of the match», des besten Spielers der Partie. Die Ehre kam Nikola Portner zuteil, dem Goalie der Schweizer, der im letzten Jahr seinen Vater verloren hatte. Zlatko Portner, der frühere Weltklassespieler, starb Ende September überraschend im Alter von 58 Jahren. Er war der Grund, weshalb sein Sohn zum Handball fand. Der Sport sei nun zwar nicht mehr der gleiche, sagte Nikola im Vorfeld des Turniers, mit seinen Leistungen könne er aber dafür sorgen, dass sein Vater den Leuten noch lange in Erinnerung bleibe. Mit seinen 14 Paraden gegen die Nordafrikaner (38 Prozent Abwehrquote), so viel steht fest, hätte er Zlatko sehr stolz gemacht.
Trotz Strapazen auf der Höhe der Aufgabe
Dieses emotionale Highlight war der perfekte Abschluss eines rundum gelungenen WM-Abenteuers, das erst durch die Absage der USA zwei Tage vor Turnierstart lanciert worden war. Nach dem Sieg in der Vorrunde gegen Österreich (28:25), der den Einzug in die Hauptrunde ebnete, liessen die Schweizer den überraschenden 20:18-Erfolg gegen Island und nun auch noch den dritten Turniersieg gegen Algerien folgen. Geschenkt wurde der SHV-Auswahl auch diesmal nichts, auch der Drittklassierte der Afrikameisterschaft 2020 bestraft Nachlässigkeiten sofort. Die Schweizer liessen aber früh erkennen, dass sie trotz der Strapazen – gegen Algerien trugen sie das sechste Spiel innert elf Tagen aus – genug Benzin im Tank hatten, um diese letzte Herausforderung zu meistern. Die Startphase verlief ausgeglichen, nach etwas mehr als 20 Minuten setze sich die Schweiz erstmals ab, führte mit 14:9. Die Arbeit in der Deckung wirkte aggressiv, konzentriert und harmonisch, der Angriff sorgte sogar für den einen oder anderen Zungenschnalzer. So etwa beim Pass von Spielmacher Andy Schmid zu Alen Milosevic, zwischen den Beinen eines Gegners hindurch. Oder beim Tor von Marvin Lier mit dem Rücken zum Tor stehend.
Schweizer mit «super Mentalität»
Das hohe Level vermochten die Schweizer aber nicht zu halten, Unsauberkeiten im Angriff ermöglichten Algerien bis zur 29. Minute wieder den Anschluss (14:13). Nach dem Seitenwechsel drehte Goalie Nikola Portner dann aber richtig auf, parierte innert Kürze zweimal den Abschluss und den Nachschuss eines Gegners. Die Schweiz, auch von einer doppelten Überzahl nach zwei Zweiminutenstrafen gegen Algerien profitierend, baute den Vorsprung bis zur 41. Minute auf sechs Tore aus (22:16). Die nun etwas offensiver deckenden Algerier streuten zwar nochmals Sand ins Offensivgetriebe der Schweizer, vor allem der 37-jährige Dauerläufer Schmid spürte sein enormes Pensum an dieser WM, blieb während 20 Minuten ohne Tor aus dem Spiel heraus. Letztlich geriet der Sieg allerdings nicht mehr in Gefahr, neben Portner und dem neunfachen Torschützen Schmid stachen der rechte Flügel Cédrie Tynowski (6 Würfe, 6 Tore) und Schwerarbeiter Alen Milosevic aus dem starken Kollektiv heraus. «Es war ein tougher Match, jeder Abpraller war gefühlt beim Gegner. Wir haben eine super Mentalität gezeigt, ein grosses Kompliment an die Mannschaft», freute sich Nationaltrainer Michael Suter.
Nur zweimal war die SHV-Auswahl noch stärker
Die Schweizer schliessen damit die Hauptrundengruppe 3 auf dem vierten Platz ab. Damit werden sie sich in der Abschlusstabelle mindestens auf dem 16. Rang klassieren, was nach der WM 1993 (4.) und der WM 1995 (7.) der wertvollsten Platzierung in der Schweizer WM-Geschichte gleichkommt. «Wir empfinden pure Erleichterung, das ist eminent wichtig für unseren Handball. Die Schweiz war eine der ganz grossen Überraschungen an diesem Turnier», sagte Suter nach der ersten WM-Teilnahme seit 26 Jahren. Und Ingo Meckes, der Leistungssportchef des Schweizerischen Handballverbands, hielt fest: «Ich bin stolz, wie wir uns nach dieser unvergesslichen Anreise vom ersten Moment an reingekämpft haben. Sechs Mal gelang der Mannschaft ein super Fight, eine super Leistung. Wir haben uns von der besten Seite präsentiert.»
Algerien - Schweiz 24:27 (13:15)
Madinat Sittah Uktubar. Keine Zuschauer. SR Grillo Lopez/Lenci (ARG).
Torfolge: 5:4, 5:6, 6:6, 6:8, 8:9, 8:13 (24.), 9:14, 13:14, 13:15; 14:15, 14:18, 16:19 (38.), 16:22 (41.), 19:22, 22:26, 24:26, 24:27.
Strafen: 4mal 2 Minuten gegen Algerien, 2mal 2 Minuten gegen die Schweiz.
Algerien: Ghedbane (1 Parade)/Zemouchi (9); Naim, Hellal (1 Tor), Berkous (2), Hichem (3), Saker (3), Kaabeche, Ensaad, Boudjenah (1), Abderahim (1), Bendjilali (1), Abdelkader (1), Hadj Sadok (5/1), Ayoub (6).
Schweiz: Portner (14 Paraden); Schmid (9 Tore/3), Rubin (2), Tynowski (6), Svajlen, Lier (4), Sidorowicz (1), Raemy (2), Röthlisberger, Tominec, Milosevic (3), Ben Romdhane.
Bemerkungen: Schweiz ohne Meister (verletzt), Küttel (krank), Maros (positiv auf Corona getestet), Gerbl, Grazioli (beide überzählig), Bringolf, Schelker, Zehnder und Novak (alle nicht eingesetzt). Portner hält Penalty von Hadj Sadok (15./7:9), Hadj Sadok verwandelt den Nachschuss.
YOU MADE HISTORY!
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