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Schweizer schreiben WM-Geschichte

Fantastisch, die Schweizer schlagen Polen mit 30:28 und ziehen in die Hauptrunde ein. Die Art und Weise, wie sie allen Widerständen trotzen, lässt vom besten WM-Ergebnis seit 30 Jahren träumen.


Text: Stephan Santschi Bilder: Kolektiffimages, Foto Wagner



«Ich bin stolz. Es war ein extremes Druckspiel, eine Reifeprüfung», sagte Nationaltrainer Andy Schmid. «Wir sind als Mannschaft explodiert», befand Spielmacher Felix Aellen. «Ich bin brutal glücklich», versicherte der linke Aufbauer Lenny Rubin, und SHV-Verbandspräsident Pascal Jenny hielt fest: «Andy Schmid bringt uns auf die nächste Stufe. Jetzt träumen wir sogar vom Viertelfinal.» Im Schweizer Lager herrschte am Sonntagabend im dänischen Herning Euphorie. Dank eines hart erkämpften 30:28-Siegs gegen Polen ziehen sie in die WM-Hauptrunde ein.


Klar, diese Leistung passt zur Zielsetzung, die Schweizer stellten im Vorfeld unmissverständlich klar, dass sie die Vorrundengruppe A mindestens auf dem dritten Platz beenden wollen. Dass sie nun sogar auf Platz zwei liegen, ist allerdings als grossartige Performance zu werten, denn: Spielmacher Manuel Zehnder, der Bundesliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison, fehlt bekanntlich verletzt. Und: Mit Deutschland, Tschechien und Polen erwischten die Schweizer in der Vorrunde wohl die härteste Gruppe des Turniers.


Nationaltrainer Andy Schmid und Spielmacher Felix Aellen im Austausch.
Nationaltrainer Andy Schmid und Spielmacher Felix Aellen im Austausch.

Schweiz ist gegen Deutschland nahe an Sensation

Die Schweizer scheinen gegenwärtig aber allen Widerständen zu trotzen. Am Freitag zeigten sie gegen Vize-Olympiasieger Deutschland im Vergleich zu den beiden vorherigen Duellen mit dem gleichen Gegner eine markante Steigerung und schnupperten sogar am Sieg. Bis sechs Minuten vor Schluss war das Resultat ausgeglichen (27:27). Kleinigkeiten machten letztlich den Unterschied aus, in erster Linie der grosse Andreas Wolff, der uns mit 20 Paraden erneut den Zahn zog. «Wir haben gesehen, zu was wir fähig sind. Es ist hart, es tut weh», bedauerte Schmid die 29:31-Niederlage.


Verloren war aber noch nichts, am Sonntag stand das entscheidende Spiel gegen die Polen auf dem Programm. Ein Sieg oder ein Remis in der Höhe von mindestens 20:20 reichte fürs Weiterkommen. Im Gegensatz zu den Spielen gegen Tschechien (17:17) und Deutschland gelang der Start nicht wunschgemäss, die Polen führten früh mit 3:1. Danach kämpften sich die Schweizer aber erfolgreich ins Spiel, drehten das Skore und lagen kurz nach der Pause mit sechs Toren vorne (21:15). Stark war einmal mehr die Leistung in der Verteidigung, die im 6:0-Verbund ausgezeichnet abgestimmt ist.



Meisterliches Comeback und ein Rubin, der glänzt

Bemerkenswert ist die Präsenz des Abwehrchefs Samuel Röthlisberger, der im Innenblock mit Lucas Meister den gegnerischen Angreifern immer wieder die Tür vor der Nase zuschlägt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Meister über zwei Monate verletzt war und erst im letzten Testspiel zurückkehrte. Im Angriff rückt in Abwesenheit von Zehnder ein vor der WM noch für seine mangelhafte Körpersprache kritisierter Akteur in die Hauptrolle – Lenny Rubin. Nach einem klärenden Gespräch mit Schmid sehen wir im Schweizer Dress den wohl konstantesten Rubin überhaupt.


Der 2,05-Meter grosse Berner ist für alles zuständig. Er trifft wuchtig aus dem Rückraum, bedient die Nebenleute mit smarten Pässen, läuft nach Steals in den Gegenstoss und holt Penaltys heraus. Auch der rechte Aufbauer Dimitrij Küttel ist im Aufwind, gegen Polen gelang ihm eines seiner besten Länderspiele (5 Tore; 100 % Trefferquote). An den Flügeln steigerten sich Gino Steenaerts und Noam Leopold deutlich, Letzterer sorgt mit seiner Lockerheit für die spektakulären Tore. Unfassbar, wie Leopold Superstar Wolff mit seinen Kunstwürfen düpierte.


Noam Leopold traf in den letzten beiden Vorrunden-Spielen je 5 Mal für die Schweiz.
Noam Leopold traf in den letzten beiden Vorrunden-Spielen je 5 Mal für die Schweiz.

Nun warten Tunesien, Dänemark und Italien

Am Ende überzeugt die Schweiz aber vor allem im Kollektiv. Schmid wollte jedem Akteur eine Rolle geben und genau das tut er an seiner ersten WM als Nationaltrainer. «Wie unser Team funktioniert, zeigt Mehdi Ben Romdhane am besten. Er sitzt 45 Minuten auf der Bank und übernimmt anschliessend Verantwortung», erklärte Schmid. Gegen Polen brachte er den Ersatz-Spielmacher in der 46. Minute, als die Partie beim Stand von 22:22 zu kippen drohte. Danach führte Ben Romdhane die Schweiz mit seinem Vorwärtsdrang zum Sieg. Selbst die zu Ungunsten der Schweiz pfeifenden Referees brachten die SHV-Auswahl nicht mehr aus dem Gleichgewicht.

Und nun? Ist die Schweizer Handball-Seele gesättigt? Mitnichten. Der Traum vom WM-Viertelfinal, wie Jenny sagt, ist aufgrund der Ausgangslage zwar kaum realisierbar, weil es in der Hauptrunde an Dänemark (Donnerstag, 20.30 Uhr) und Deutschland wohl kein Vorbeikommen gibt. Mit Siegen gegen die in Reichweite liegenden Tunesier (Dienstag, 15.30 Uhr) und Italiener (Samstag, 15.30 Uhr) kann sich die Schweiz aber zwischen Platz neun und zwölf einordnen – was gleichbedeutend wäre mit der besten WM-Klassierung seit 30 Jahren (1995; 7. Rang).

 

Schweiz – Deutschland 29:31 (14:15) Jyske Bank Boxen, Herning (Dä). – 7386 Zuschauer. – SR Mikelic/Paradina (Kro). – Strafen: je 2-mal 2 Minuten. – Schweiz: Portner (13 Paraden); Steenaerts (2 Tore), Küttel (2), Aellen (6), Rubin (7), Leopold (5/2), Meister (1), Röthlisberger; Attenhofer (2), Maros (3), Laube (1), Samuel Zehnder, Willecke, Ben Romdhane. – Deutschland: Wolff (20 Paraden); Lichtlein (3 Tore), Golla (1), Witzke (1), Knorr (5), Köster (7), Uscins (6), Dahmke (1), Mertens (2), Fischer (1), Grgic, Kastening (4). – Bemerkungen: Schweiz ohne Manuel Zehnder (verletzt), Kusio, Seravalli (überzählig). Portner pariert Penalty von Kastening (12./5:2). Wolff pariert Penalty von Zehnder (39./21:20). Zerbe wirft Penalty an den Pfosten (47./23:24).


Polen – Schweiz 28:30 (15:18) Jyske Bank Boxen, Herning (Dä). – 5653 Zuschauer. – SR Pavicevic/Raznatovic (Mne). – Strafen: je 4-mal 2 Minuten. – Polen: Jastrzebski (11 Paraden)/Morawski; Marciniak (4 Tore), Moryto, Jedraszczyk, Przytula (9), Czuwara (2), Syprzak (4/2), Olejniczak (3), Gebala; Pietrasik (4), Rogulski, Czaplinski (2). – Schweiz: Portner (5 Paraden)/Scheidiger (3); Steenaerts (4 Tore), Küttel (5), Aellen (3), Rubin (5), Leopold (5/2), Meister (4), Röthlisberger; Maros, Ben Romdhane (3), Laube (1), Willecke.

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