«Mission Euro 24» auf gutem Weg
Die Schweizer Frauen-Nationalmannschaft hat ihre ersten Begegnungen im Rahmen des EHF EURO Cups gespielt. Dabei gewann das Team von Trainer Knut Ove Joa bei seiner Feuertaufe als neuer Headcoach in St. Gallen gegen Österreich mit 33:27 (18:11). Drei Tage später setzte es in Larvik gegen den amtierenden Welt- und Euromeister Norwegen eine klare 29:44 (18:23)-Niederlage ab.
Text: Ernesto Piazza Fotos: Foto Wagner
In St. Gallen legte die Schweiz mit einem Blitzstart eine 5:0-Führung hin, die den Funken schnell vom Team auf das Publikum überspringen liess. Dafür hauptverantwortlich war eine, vor allem zu Beginn sehr kompakte Deckung, die es auch immer wieder erlaubte Gegenstösse zu laufen. Da brillierte vor allem Mia Emmenegger, die auch aus dem Spiel ihre insgesamt zehn Tore warf und als «Best Playerin» ausgezeichnet wurde. Die rund 1'500 Zuschaurinnen und Zuschauern bildeten eine stimmige Kulisse, wie die Truppe eine solche natürlich sich auch in Basel an der Euro 2024 wünscht.
Österreich ist – im Gegensatz zur Schweiz – an der WM von Ende November/anfangs Dezember dabei. Das Team von Headcoach Herbert Müller, der auch den Deutschen Bundesligisten HC Thüringen (mit Kerstin Kündig) trainiert, war zwar in den Playoff-Spielen gegen Spanien knapp gescheitert, erhielt für dieses Turnier allerdings eine Wildcard. Das zweite Spiel des EHF EURO Cups verlor Österreich, das wie die Schweiz als Co-Organisator der Euro 2024 auftritt, gegen Ungarn mit zwei Toren Differenz.
Gegen Norwegen begannen die Schweizerinnen ebenfalls keck. Über 5:5 und 9:9 hielten sie anfänglich sehr gut mit, um dann zur Pause mit fünf Toren Unterschied zurückzuliegen. Auch in der zweiten Hälfte stemmten sie sich erst noch recht gut gegen die drohende Niederlage. Aber so ab der 40. Minute legte der amtierende Europa- und Weltmeister eine Schippe drauf und zog deutlich davon. Bei den Schweizerinnen schwanden die Kräfte zusehends. Die Fehlerquote war letztlich zu gross, um mit der Klasse des momentan wohl weltbesten Frauenteams mithalten zu können.
Alle Spielerinnen erhielten Einsatzzeit
Als Resümee muss man allerdings feststellen: Die Schweizerinnen zeigten zwei beherzte und mutige Auftritte. Die Truppe trat mit viel Spielfreude und als homogene Einheit auf. Das Team traute sich was zu. Inwieweit bereits die Handschrift von Knut Ove Joa zu lesen war, ist noch schwierig zu beurteilen. Jedenfalls lässt sich sagen: Der Norweger hat mit seiner offenen und kommunikativen Art in nur wenigen Tagen des gemeinsamen Beisammenseins die Truppe erreicht. Das Team ist noch näher zusammengerückt. Joa wird aber künftig weiter an der einen oder anderen Schraube drehen (müssen). Sei es im Deckungsverbund, wo man über 60 Minuten noch kompakter auftreten muss. Oder im Angriffsspiel: Dort ist Geduld und Disziplin gefragt, um auf die «richtige» Chance zu warten und sie letztlich auch zu nutzen.
Positiv war sicherlich ebenfalls, dass Joa allen Spielerinnen Einsatzzeiten bot. Dies dürfte gerade mit Blick auf die Euro 2024 für die Akteurinnen wichtig sein, ihnen ein Gefühl des Dazugehörens geben. Das ist umso wichtiger, da Joa zwar über einen funktionierenden Stamm verfügt, an der qualitativen Kaderbreite aber noch gearbeitet werden muss.
Apropos Kaderbreite: Die Position des linken Flügels ist aktuell noch zu «dünn» besetzt. In den beiden Partien spielte dort – auch wegen dem verletzten Ausfall von Melanie Felber (Skara HF) – praktisch nur Alessia Riner (Sportunion Neckarsulm). Gut möglich, dass sich auf dieser Position auch Dimitra Hess (Brühl) Chancen für ein künftiges Aufgebot ausrechnen darf. Auf der Gegenseite ist Mia Emmenegger gesetzt. Hinter ihr klafft aber eine Lücke, die zu schliessen zwar nicht möglich sein wird. Aber zumindest ein Backup, den die noch verletzte Sev Albrecht (Herzogenbuchsee) bilden könnte, ist nötig. Gleiche Situation am Kreis, wo Tabea Schmid ebenfalls gesetzt ist. Hier hat gegen Österreich und Norwegen jeweils Lisa Frey – wie bereits bei Martin Albertsen – diesen Part übernommen. Wobei die Akteurin von Blomberg-Lippe eigentlich eine Rückraumspielerin ist. Weiter spielt sie einen wichtigen Part in der Deckung. Dorthin wird auch die momentan verletzte Chantal Wick (GC/Amicitia) zurückkehren und als eigentliche Abwehrspezialistin dem Verbund zusätzliche Stabilität verleihen.
Goalieposition als Schlüsselposition
Im Rückraum war das Aufgebot von Joa sehr breit bestückt. Hier dürfte es in Zukunft noch zu Zäsuren kommen. Wobei Daphne Gautschi (Handball Plan-du-Cuques Marseille) in beiden Spielen stark auftrat, Malin Altherr (Brühl) auf Rückraum rechts speziell gegen Österreich einen guten Part spielte und Kerstin Kündig (Thüringen) gegen Norwegen ihre Klasse als Regisseurin und Torschützin unter Beweis stellte.
Die Goalieposition ist – speziell auf internationalem Topniveau - zu einer absoluten Schlüsselposition geworden. Auch der Abstimmung zwischen Deckung und Torhüterin kommt ein immer grösserer Stellenwert zu. Da haben die Schweizerinnen sicherlich noch Luft nach oben – obwohl in beiden Partien gute Sequenzen vorhanden waren. Bei den Torhüterinnen hat Lea Schüpbach (Metzingen) gezeigt, dass sie aktuell die Nummer eins ist. Gegen Norwegen bekam auch Manuela Brütsch (Bad Wildungen) ihre Einsatzzeiten - und nutzte sie. Als dritte Torfrau war Sladana Dokovic (Brühl) dabei. Da wird Claire Hartz (Spono) noch dazustossen, sobald ihre Verletzung ausgeheilt ist und sie wieder über die nötige Spielpraxis verfügt.
Möglichst viel Spielpraxis, die zu einem stimmigen Gefühl und Rhythmus führen, ist aber auch generell für alle Akteurinnen – immer auch mit Blick auf die «Mission Euro 2024» - wichtig. Und Headcoach Knut Ove Joa hat in den nächsten 12 Monaten ebenfalls noch einiges zu tun. Genauso die Spielerinnen, die wichtige Hausaufgaben zu lösen haben. Die Begegnungen gegen Österreich und Norwegen haben aber gezeigt, dass sich die Truppe auf einem guten Weg befindet.
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