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Erfolgsquote von 85 Prozent

Schiedsrichter:innen müssen je Handballspiel in 60 Minuten bis zu 250 Entscheidungen treffen. Davon sind 10 bis 15 Prozent Fehlentscheide. Schiedsrichter-Ausbildungschef Beat Nagel zeigt auf, wie Entscheide zustande kommen, dass eine Fehlertoleranz zum Handballspiel dazu gehört und wie diese weiter optimiert werden kann.


Text: Beat Nagel Bilder: ZVG.


SHV-Schiedsrichter-Ausbildungschef Beat Nagel (links) ist dafür verantwortlich, die Schiedsrichter, auch im Austausch mit Trainern und Spielern, zu schulen und besser zu machen. Die Olympia-Schiedsrichter Morad Salah (links) und Arthur Brunner, hier mit dem Delegierten Felix Räz (Mitte), sind für viele Nachwuchs-Referees grosse Vorbilder.


Ein Schiedsrichter soll immer zu 100% richtig entscheiden, das ist menschlich einfach unmöglich. In einem Handball Spiel treffen die beteiligten Schiedsrichter etwa 150 bis 250 Entscheide, davon sind 10 bis 15 Prozent aufgrund falscher Beobachtungskriterien nicht korrekt getroffen worden. Oder anders gesagt, alle 15 Sekunden wird eine Entscheidung getroffen, alle 2 Minuten ist davon eine nicht korrekt. Eine solche Quote an Entscheidungen gibt es nur in wenigen Sportarten.Aber was heisst eigentlich falsch? Die eine oder andere Mannschaft, deren Offizielle oder auch Zuschauer:innen fühlen sich benachteiligt, allein das ist dann aus ihrer Perspektive falsch. Aber natürlich gibt es auch wirklich falsche Entscheide. Die Sichtweise falsch oder richtig ergeben so oft eine einseitige Betrachtungsweise. Die folgenden Beispiele zeigen dies auf:


Beispiel SPL2-Spiel

Wir sind in der 59. Minute eines SPL2-Spieles und es steht unentschieden. Aussen Durchbruch von Mannschaft A zwischen Verteidigung 2er und Verteidigung Flügel. Der Flügel hilft, die Angreiferin läuft auf. Die Schiedsrichter beurteilen die Hilfe als knapp im Kreis und entscheiden auf 7 Meter. Trainer B erkennt aus seiner Sicht ein klares Stürmerfoul. Der 7 Meter ist erfolgreich, die Mannschaft A gewinnt mit einem Tor. War die Entscheidung nun falsch?


Beispiel 1. Liga

Der Angreifer will im ersten Angriff eine Progression gesehen haben und äussert sich klar und laut gegenüber den Schiedsrichtern. Der Schiedsrichter 1 versucht ihn zu beruhigen. Als der Angriff wechselt, reklamiert der gleiche Spieler einen Schrittfehler. Der Schiedsrichter 2 gibt eine gelbe Karte für Reklamieren und informiert den Trainer, dass das kein gutes Verhalten ist. Was ist jetzt richtig oder falsch?


Die beiden Beispiele zeigen auf, dass die Momente der Beobachtung entscheidend sind, ob ein Schiedsrichter oder ein Paar ihren Job gut lösen und dieser auch von den Spielern als eine gute Leistung anerkannt wird. Fehlentscheide sind oft eine Frage der Perspektive auf die Situation, der Coach der Abwehr sieht ein Stürmerfoul, der Coach des Angreifers eine direkte Disqualifikation. Beides geht nicht, nur einer kann Recht haben. Hier steht der Schiedsrichter dazwischen und muss entscheiden.


Klare Kriterien und Kommunikation

Wie entscheiden die Schiedsrichter? Nach klaren Kriterien! Was sind solche Kriterien? Die einfache Antwort: Das steht in den Regeln. Aber genauso so einfach ist es eben nicht. Nehmen wir das erste Beispiel, was sind hier die zu erkennenden Kriterien? Die wesentliche Frage ist, wer war zuerst am Ort und hat sich der Spieler dort korrekt verhalten. Also konkret stand der Abwehrspieler in korrekter Abwehrposition vor dem Angreifer? Mit Stehen ist hier wirklich stehen gemeint, solange sich der Spieler in einer Vorwärts- oder Seitwärtsbewegung befindet, kann es nicht Stürmerfoul sein. Ganz oft ist es daher eine Ermessensache und ein gutes Beobachten. Ganz gleich aber, was die Schiedsrichter jetzt sehen, es kommt in dieser Situation auf eine klare Kommunikation an. Kommunikation erfolgt als Schiedsrichter aber nicht nur verbal, sondern durch klare Pfiffe und Handzeichen, unterstützt von einer eindeutigen Körpersprache und wenn nötig verbalen Ergänzungen.


Alles doch ganz einfach?

In der Abteilung Schiedsrichter (ASR) des SHV bin ich seit 2 Jahren als Ausbildungschef angestellt, das gab es in dieser Form zuvor nicht. Meine Aufgabe ist es, die Schiedsrichter laufend und in jährlichen Kursen zu schulen und besser zu machen. Das bedeutet, dass ich mit einem festen Team laufend Spiele analysiere, mich mit Spielern und Trainern ausspreche, die internationalen Informationen zusammenfasse und daraus Lektionen für die Schiedsrichter erstelle. Auch die Handball Community wird über unsere Regelforum auf der SHV-Website über die wichtigsten Regel Auslegungen und Brennpunkte informiert. Dieses Regel Forum wird sehr oft genutzt. Alle Beteiligten unseres Sports erkennen dadurch, dass die Regelauslegung einheitlicher wird und dadruch das Verständnis weiter wächst.


Fehlertoleranz akzeptieren

Und nun zurück zum Ausgangspunkt. Was bedeutet Fehlertoleranz? Schiedsrichter, Spieler, Trainer und mit Abstrichen auch Zuschauer wissen und akzeptieren, dass es Fehler gibt und akzeptieren auch, dass es solche immer geben wird. Kein Schiedsrichter entscheidet bewusst falsch. Mit mehr gegenseitigem Verständnis und der klaren Botschaft an die Schiedsrichter zu Fehlern zu stehen, werden wir eine bessere Kultur für den gemeinsamen Sport entwickeln. Reklamierende Trainer und Spieler sowie arrogant auftretende Schiedsrichter sind für unseren Sport die falschen Botschafter. In diesem Sinne wünsche ich mir spannende Spiele und eine attraktive Saison 2024/2025.

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