«Ich finde den Irak überhaupt nicht gefährlich»
- Handballworld AG
- 1. Juli
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Der ehemalige Meistertrainer (Pfadi Winterthur, Kadetten Schaffhausen) und ehemalige Schweizer Nationaltrainer Goran Perkovac ist seit Februar 2025 Nationaltrainer im Irak. Der 62-jährige Luzerner spricht über dieses spezielle Projekt, den Krieg im Iran und gesundheitliche Probleme, die ihn beinahe das Leben gekostet hätten.
Interview: Stephan Santschi
Eigentlich war im Juni in Bagdad ein Trainingslager geplant, doch Sie sind wegen des Kriegs im Iran vorzeitig in die Schweiz zurückgekehrt. Wie haben Sie die Situation erlebt?
Goran Perkovac: Im Irak spürte ich gar nichts, alles lief normal weiter. Ich hatte nie das Gefühl, dass es gefährlich ist. Es war allerdings unsicher, ob ich rauskommen würde, wenn etwas passieren sollte. Wegen des Kriegs zwischen Iran und Israel fand kein Luftverkehr mehr statt. Und so empfahl mir Ahmed Riyadh, der Präsident des irakischen Handballverbands, das Land zu verlassen. Er fuhr mich nach Diyarbakir in die Türkei, von wo ich via Istanbul zurück in die Schweiz flog. Meine Familie war froh, dass ich zurück war, wohl noch mehr als ich selbst.
Sie sind seit Februar 2025 Nationaltrainer im Irak. Wie kam es dazu?
Ich wollte gar nichts mehr machen und aufhören. Finanziell bin ich abgesichert, ich muss nicht mehr alles annehmen. Für mich und meine Frau kam es eigentlich nicht in Frage, so weit voneinander entfernt zu sein. Doch als mich der irakische Verband nach Bagdad einlud, bin ich überredet worden. Die Leute sind sehr freundlich, kooperativ und sehr motiviert. Sie wollten unbedingt, dass ich helfe, also versuche ich das nun zu tun.

In welchem Zustand ist der irakische Handball?
Es ist dort eine Randsportart, fast keiner kennt Handball. Während den Playoffs herrschte aber eine gute Stimmung, die Hallen waren mit etwa 1000 Zuschauern voll, sie machten richtig Lärm. Die Liga ist nicht so stark. Die meisten Teams haben nur zwei Profis, Topspieler entscheiden sich nicht für den Irak. Der Verband ist erst 1972 gegründet worden, bei der IHF steht er auf der Liste der Entwicklungsländer. Das Problem ist die Nachhaltigkeit, es gibt mit der U20-Auswahl nur eine Nachwuchs-Nationalmannschaft.
Was ist also zu tun?
Die finanziellen Möglichkeiten sind gross, und wenn wir Investoren finden, die richtig gut zahlen, ist wie in Katar alles möglich. Wir brauchen bessere Spieler und europäische Trainer, um zu lernen. Der Verband hat dabei eine Idee, von der ich noch nicht zu 100 Prozent überzeugt bin: Er will in der Meisterschaft eine Mannschaft aus Nationalspielern zusammenstellen, die ich trainieren soll. Klar würde dies für grosse Fortschritte sorgen. Ich hätte aber keinen freien Tag mehr.
Wie erleben Sie die Arbeit mit der Nationalmannschaft?
Die Arbeitsbedingungen sind ideal, die Hallen oder das Material sind kein Thema. Aber: Wenn die Spieler zu mir kommen, brauche ich jeweils ein paar Tage, bis sie wieder normal Handball spielen. In den Klubs spielen sie nach dem Motto: Run and gun. Es ist egal, ob sie Fehler machen. Es gibt durchaus talentierte Spieler, doch sie brauchen mehr Disziplin und Verantwortung für den Ball. Und sie müssen fitter werden, weshalb ich einen professionellen Athletiktrainer anstellen will.
Wie lauten die nächsten Ziele?
Wir müssen uns mit aller Macht erstmals für eine Weltmeisterschaft oder Olympia qualifizieren. Wenn wir das nicht schaffen, wird unser Sport im Irak nicht populär. Im Januar 2026 finden in Kuwait die Asien-Meisterschaften statt. Um es an die WM zu schaffen, brauchen wir dort eine Platzierung in den Top 4. Im Moment ist das zwar nicht realistisch, doch es fehlt nicht viel. Zuletzt an den Arabischen Meisterschaften belegten wir Platz fünf und waren nicht so weit von Katar, Bahrain, Saudi-Arabien und Kuwait entfernt.
Wie erlebten Sie in der 7,5-Millionen-Metropole von Bagdad Ihren Alltag?
Ich lebte in einem Compound, einer geschützten Wohnanlage, rund zehn Autominuten vom Zentrum entfernt. Ich finde den Irak aber überhaupt nicht gefährlich. Die Menschen sind unglaublich freundlich. In Restaurants werde ich von meinen Begleitern immer eingeladen. Mir wurde ganz klar erklärt, dass ich mindestens drei Jahre hier zu leben hätte, bis ich auch mal zahlen darf. Zuhause habe ich sogar gelernt, zwei, drei Sachen zu kochen. Meine Frau konnte das zuerst gar nicht glauben. Das Schlimmste aber ist der Verkehr.
Erzählen Sie, bitte.
Auf der Strasse herrscht ein Fight, weshalb ich nicht selber fahre. Es hat sehr viel Verkehr. Wenn Du in einer halben Stunde irgendwo sein willst, kann es auch zwei Stunden dauern bis zu dort bist. Und dann ist es hier sehr heiss, 43 Grad, manchmal auch 47 oder 50. Das ist nicht gut für meine Gesundheit, zuletzt bin ich ja nicht topzwäg gewesen.
Was ist passiert?
Am 27. Dezember des letzten Jahres, als ich in Kroatien in den Ferien war, platzte in meinem Kopf ein Aneurysma. Ich war nahe am Tod. Mein Schwiegersohn ist Arzt und hat gute Beziehungen. Vladimir Kalousek, ein Neurointerventionist, hat mich operiert. Er ist ein Top-Fachmann, ihm verdanke ich mein Leben. Mit geht es wieder gut, ich habe keine Einschränkungen, muss lediglich Medikamente gegen Bluthochdruck einnehmen.
Wann kehren Sie in den Irak zurück?
Anfang August steht das nächste Trainingslager auf dem Programm. Ich habe alles vorbereitet. Wenn die Situation wieder normal ist, kehre ich in den Irak zurück. Es ist ein langfristiges Projekt, das gefällt mir. Bis Januar 2026 bleibe ich Nationaltrainer, dann schauen wir weiter. Irgendwann ist es genug, ich habe alles gesehen, deshalb möchte ich einen jungen Assistenten zum künftigen Cheftrainer aufbauen. Danach sehe ich mich eher in der Rolle des Beraters.
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