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Gegen Frankreich fehlt nur das Sahnestück

Die Sensation war in Reichweite, am Ende verliert die Schweiz jedoch hauchdünn mit 24:25 gegen Frankreich. Das grosse Ziel, die Qualifikation für die WM-Hauptrunde, schafft sie trotzdem.


Stephan Santschi



Was für eine Dramatik, welch ein Finish. Die Schweiz liegt gegen Frankreich mit 24:25 zurück und ist in die offene Deckung übergegangen. Melvyn Richardson wird freigespielt, steht allein vor Nikola Portner, kann alles klar machen. Doch der Schweizer Goalie pariert, lanciert den Gegenangriff. Und Mehdi Ben Romdhane, der 19-jährige Rückraumspieler der Kadetten Schaffhausen, kommt zu einem letzten Abschluss. Doch anstatt einem historischen Unentschieden gegen einen Topfavoriten dieser Weltmeisterschaft resultiert für die SHV-Auswahl eine bittere Niederlage. Ben Romdhanes Versuch wird nämlich zur Beute des französischen Keepers Vincent Gerard. Anstatt sich freudetrunken im Kreis zu drehen und einen sensationellen Exploit gegen den Rekordweltmeister zu feiern, dominiert der Frust. Alen Milosevic schimpft wie ein Rohrspatz, Andy Schmid lehnt sich mit Verzweiflung im Gesicht gegen die Torlatte. Kurz zuvor, in der 55. Minute, sagte der geniale Spielmacher der Schweizer während des Timeouts noch zu seinem Team: «Für diese letzten fünf Minuten haben wir ein Leben lang trainiert.»


Grossartige Leistung in der Abwehr

24:25 also gegen das Weltklasseteam aus Frankreich, das man letztmals vor 28 Jahren bezwang. Der Schweiz gelingt dies nicht in einem Testspiel, sondern im dritten Vorrundenspiel an der WM in Ägypten und dies nach der kurzfristigen Nachnomination für die USA ohne konkrete Vorbereitung. Eine unfassbar starke Leistung, ungeachtet des tragischen Endes. «Mit dieser Leistung haben wir die Fachwelt ein weiteres Mal überrascht. Ich bin während des ganzen Spiels erstaunlich ruhig gewesen. Weil ich weiss, dass wir auf diesem Niveau spielen können», hielt Nationaltrainer Michael Suter fest. Es war ein fantastischer Fight auf Augenhöhe mit den Franzosen, die zwar mit harter Gegenwehr gerechnet hatten, gewiss aber nicht mit diesem leidenschaftlichen Widerstand des Underdogs. Prunkstück des Schweizer Auftritts war dabei, einmal mehr, die Abwehr. Unterstützt von einem bärenstarken Portner im Tor hielt sie das Starensemble des Gegners weitgehend unter Kontrolle, ja phasenweise biss sich Frankreich regelrecht die Zähne am Schweizer Bollwerk aus. «Das war eine wahnsinnig geile Teamleistung, unglaublich, ich bin stolz auf die Jungs», sagte Portner.


Schweiz vergibt Sieg in Überzahl

Von Beginn weg entwickelte sich ein hart umkämpftes Spiel, mehr als zwei Tore lag nie ein Team in Front, mit Ausnahme der 8:5-Führung der Schweiz in der 14. Minute. «Wenn es einer grossen Nation nicht so läuft, muss man ihr halt ein bisschen helfen», sagte Suter kurze Zeit später während eines Timeouts mit einem Schuss Sarkasmus, als die Schweiz durch Unachtsamkeiten mit 9:10 in Rückstand geraten war. Zur Pause stand es 14:14, nach 50 Minuten 21:21, in der 53. Minute ging die Schweiz sogar nochmals in Führung (23:22). Und hätte sie in jener Phase, als sie für kurze Zeit sogar in doppelter Überzahl angreifen konnte, mehr Abgeklärtheit an den Tag gelegt, ihr wäre der Sieg wohl nicht mehr zu nehmen gewesen. Doch Nicolas Raemy (57.) und kurz darauf auch Roman Sidorowicz (58.) versuchten Gerard nach einer gewonnen 1:1-Situation im nahen Eck zu erwischen – und scheiterten beide am Weltklasse-Keeper der Franzosen.


Am Mittwoch geht es gegen Island

Und so gibt es am Ende nur einen Punkt, den man am Auftritt der Schweizer, gemessen an der überragenden Gesamtperformance, kritisieren kann: die Chancenauswertung im Angriff. Wie schon gegen Norwegen kam die Schweiz nicht über eine Schusseffizienz von 55 Prozent hinaus. Viel, etwas zu viel Verantwortung, lastete auf Superstar Andy Schmid, zehn Treffer erzielte der 37-jährige Luzerner, zahlreiche weitere Tore bereitete er vor. Stark waren auch Kreisläufer Milosevic und Sidorowicz, der mangels Alternativen als Rechtshänder im rechten Aufbau aushelfen musste. Von Nicolas Raemy kam indes zu wenig, Lenny Rubin war im linken Aufbau sogar gänzlich abgemeldet. «Frankreich wäre zu knacken gewesen, einen Punkt hätten wir mindestens verdient gehabt. Deshalb herrscht nun eine grosse Enttäuschung», haderte Portner.


Zweieinhalb Stunden später dürfte sich die Miene der Schweizer allerdings wieder aufgehellt haben. Dann trat nämlich die Kunde von Norwegens 38:29-Sieg gegen Österreich ein, womit Rang drei in der Gruppe E gesichert und die Qualifikation für die WM-Hauptrunde der besten 24 Teams Tatsache war. «Die Sahne auf dem fertig gebackenen Kuchen» (O-Ton Suter), welche gegen Frankreich fehlte, die kann die SHV-Auswahl nun im weiteren Turnierverlauf noch nachliefern. In der Gruppe drei der Hauptrunde treffen die Schweizer am Mittwoch auf Island, am Freitag auf Portugal und am Sonntag auf Algerien. Alle Partien werden um 20.30 Uhr angepfiffen und auf TV24 live übertragen. Diese Nationalmannschaft, daran ist nichts zu deuteln, macht grosse Lust auf mehr.


Frankreich - Schweiz 25:24 (14:14) Madinat Sittah Uktubar. Keine Zuschauer. SR Lopez Grillo/Lenci (ARG). Torfolge: 0:1, 2:1, 2:3, 5:5, 5:8 (14.), 7:8, 7:9 (17.), 11:9 (20.), 14:12, 14:14; 15:15, 17:15, 17:17, 19:17, 21:19, 21:21, 22:21, 22:23 (53.), 25:23 (59.), 25:24.

Strafen: 3mal 2 Minuten gegen Frankreich, 5mal 2 Minuten gegen die Schweiz.

Frankreich: Pardin (2 Paraden)/Gérard (ab 21./10); Remili (1 Tor), Lagarde (1), Richardson (2), Mem (4), Mahé (7/2), Abalo (3), Guigou, Luka Karabatic (2), Fabregas (1), Descat (3), Dipanda, Porte (1), Acquevillo.

Schweiz: Portner (12 Paraden)/Bringolf (für 1 Penalty); Schmid (10/1), Rubin, Tynowski (2), Svajlen, Lier (2), Sidorowicz (5), Raemy (1), Röthlisberger, Milosevic (4), Ben Romdhane.

Bemerkungen: Schweiz ohne Meister (verletzt), Küttel (krank), Maros (positiv auf Corona getestet), Schelker, Grazioli (beide überzählig), Tominec, Zehnder, Gerbl und Novak (alle nicht eingesetzt).

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