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Die Schweiz macht den nächsten Schritt

Die Schweizer verpassen an ihrer ersten EM seit 14 Jahren die Qualifikation für die Hauptrunde. Gegen Polen gelang der Mannschaft der erhoffte Sieg, doch sie zahlte auf dem internationalen Parkett auch viel Lehrgeld. Eine Analyse.

Text: Stephan Santschi / Bild: Foto Wagner (aus Göteborg)

Nicht nur die Kanterniederlage, auch das exakte Ergebnis hatte grosse Aussagekraft. Das Startspiel an der Europameisterschaft gegen Co-Gastgeber Schweden verlor die Schweiz mit 21:34 und damit genau gleich hoch wie gegen Holland im Januar 2016. Damals stand sie am Tiefpunkt und brach mit dem neu installierten Nationaltrainer Michael Suter in eine bessere Zukunft auf. Nun, im Januar 2020, ist die SHV-Auswahl auf einem neuen Level angekommen, erstmals seit 2006 spielte sie wieder an einer EM. Und kassierte wieder ein 21:34 – so als ob ihr das Schicksal klar machen will. Der Weg nach oben ist noch immer weit.

Rang drei in der Gruppe F mit dem Sieg gegen Polen (31:24) und den Niederlagen gegen Schweden (21:34) und Slowenien (25:29) ist eine mehr als ordentliche Turnierbilanz. Das Ausscheiden in der Vorrunde gegen den EM-Zweiten von 2018 (Schweden) und den WM-Dritten von 2017 (Slowenien) ist wahrlich keine Tragödie. Vor allem der Triumph gegen Polen, der erst zweite EM-Sieg in der Verbandsgeschichte, löste im Team, bei den über 500 Fans auf der Tribüne und den Zuschauern vor den TV-Geräten viel Freude aus. Suters Mannschaft hat ihre EM-Pflicht erfüllt und in ihrem Lernprozess einen weiteren Schritt vorwärts gemacht. Darauf darf sie zu Recht stolz sein.

Aber: Die Schweizer haben auch Lehrgeld zahlen müssen und das nicht zu knapp. Die Art und Weise, wie sie in der ersten Halbzeit und in der Schlussphase von den Schweden überrollt worden waren, tat weh. Ebenso wie der offensive Kollaps in den 15 Minuten vor der Pause gegen Slowenien. In diesen Momenten wurde offensichtlich, wie dünn die Luft auf dieser Höhe ist, wie schnell man vorgeführt werden kann. Und wie gross die Baustellen im Team tatsächlich sind. Die Schweiz verfügte zwar über neun Auslandlegionäre, aber ausser Andy Schmid, Marvin Lier und Nikola Portner ist keiner in einem Spitzenklub engagiert. Zudem haben Portner, Roman Sidorowicz, Lukas von Deschwanden, Nicolas Raemy oder Lier in ihren Klubs zuletzt kaum oder gar nicht gespielt. Lenny Rubin fehlt noch die Konstanz. Und die 25-jährigen Luka Maros und Dimitrij Küttel haben den Nachweis noch nicht erbracht, eine Leaderrolle einnehmen zu können.

Und so ist es unter dem Strich doch erstaunlich, was die Schweiz zu leisten imstande ist. Mit Kampfgeist, Laufvermögen, leidenschaftlicher Abwehrarbeit, mit einem harmonierenden, charakterstarken Kollektiv und einem gewieften Taktiker an der Seitenlinie hat sie sich auf der grossen Bühne zurückgemeldet. Für den Sprung in die Top 12 Europas war sie noch nicht bereit oder fehlte ihr zumindest das Losglück. Die Schweizer zählten zu den jüngsten Teams des Turniers, sie haben weiterhin grosses Entwicklungspotenzial. Sie brauchen mehr Erfahrung auf diesem Niveau, mehr Selbstverständnis, Entschlossenheit, Präzision und Antizipationsvermögen. Auch der eine oder andere zusätzliche Hüne in der Abwehr und im (rechten) Rückraum würde ihnen gut anstehen. «Ein Sieg gegen Polen ist wunderschön. Doch unser Ziel ist es, dass wir uns mit Teams wie Slowenien messen können», stellte Maros klar. Wie im Januar 2016 beginnt jetzt eine neue Zeitrechnung. Bereits im April mit der Vorqualifikation für die WM 2021 steht die nächste Reifeprüfung auf dem Programm.

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